Niklaus Schmid


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Februar

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Formentera
Eine Insel auf dem Weg zur Legende


Auszüge aus "Formentera - Der etwas andere Reiseführer"


Wie war das noch mal mit dem Wikingerprinz Sigurd, den maurischen Piraten und Bob Dylans Schafwollpullover? Diesen Fragen gehe ich in meinem Buch "Formentera - Der etwas andere Reiseführer" nach. Mal berichte ich aus der Vergangenheit, beispielsweise von den Phöniziern, die auf der Insel die ersten Salzbecken bauten, oder von den Arabern, die ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem anlegten. Dann wieder springe ich zurück in die Gegenwart, erwähne neuzeitliche Legenden, schreibe über die Tier- und Pflanzenwelt oder erzähle Geschichten von Künstlern und Charakterkäuzen. Auszüge, wie gesagt, und zwar im monatlichen Wechsel.

Februar


Von der Invasion der Blumenkinder ...


Bunte Gestalten, im Kopf die utopische Idee vom persönlich geprägten, doch weltumspannenden Glück: Ende der Sechzigerjahre eroberten die Hippies die Insel. Was sie hier vorfanden, entsprach schon so ziemlich ihren Vorstellungen vom Paradies auf Erden. Ein ruhiges Leben unter südlicher Sonne, naturverbunden, ohne Konsumzwang, das nächste Kaufhaus war so weit entfernt wie der Mond.

Zeitweise lebten über tausend Blumenkinder auf Formentera, abgesichert durch einen Scheck von Vaters Konto, geduldet von der einheimischen Bevölkerung und beschützt durch einen Hippiegott, der die Mandelblüten schon im Januar regnen lässt. Sie stammten aus allein möglichen Ländern, doch die meisten kamen aus den Vereinigten Staaten.

„Die Neuankömmlinge“, erinnert sich Bob von der Bücherei, „fragten als Erstes nach der Blue Bar. Sie legten dort ihre Bündel ab, schliefen in der Strandbar oder auf dem Vorplatz.“

... toleranten Bauern und Fischern ...


Die Blue Bar existiert noch. Heute gehört sie einem Deutschen und ist mehr der Geheimtipp von Gästen, die partout nicht vor Morgengrauen nach Hause wollen. Damals war sie ein unter Freaks weit über die Inselgrenzen bekannter Treffpunkt, wie der Pudding Shop in Istanbul, das Green Hotel in Kabul, oder das Salt & Pepper in Katmandu. Was die am Migjorn-Strand gelegene Blue Bar ursprünglich war, weiß keiner mehr so richtig. Eine Finca auf keinen Fall, weil die Einheimischen so dicht am Meer nie ein Wohnhaus gebaut haben, allenfalls Unterstände für ihre Boote.

Peludos nannten die Formenterenser die Hippies oder eben peluts in ihrer Mundart, was soviel wie die Felligen oder Langhaarigen bedeutet. Die Bauern und Fischer tolerierten die sanften Rebellen, die in den Wäldern schliefen, die nackt ins Wasser sprangen und süßes Kraut rauchten. Diese Toleranz wird immer wieder bewundernd hervorgehoben, und es stimmt ja auch. Oder doch richtiger gesagt: Die Fremden waren ihnen gleichgültig. So war das jedenfalls bei den Alten. Die Jungen fanden die bunt gekleideten Besucher schon interessant und guckten sie sich genauer an, suchten wohl auch deren Nähe.

… und den legendären Vollmondfesten


Aber einlassen durften wir uns mit den Peludos nicht, sonst gab es auch schon mal was hinter die Ohren“, erinnert sich Francisca heute an die Hippiezeit. Sie war damals dreizehn und wurde ins Haus eingeschlossen. Als Grund gab die Mutter an, dass man bei den Fremden nicht wisse, wer Junge oder Mädchen sei, denn alle hätten lange Haare und trügen Hosen.

Es gab einige Reiche unter den Freaks, wie sie sich selber nannten, die mit Schmuck behängt waren wie indische Maharadschas, und es gab viele, die von der Hand in den Mund lebten. Erst rund dreißig Jahre ist das her. Doch die Geschichten von den Vollmondfesten, von dem Versuch, etwas abseits der Zivilisation und dafür in Einklang mit der Natur zu leben, klingen heute schon sehr exotisch.

Wurde hier eine Utopie verwirklicht? Natürlich nicht, genauso wenig wie in den anderen Hippienestern von Kreta bis zum indischen Goa. Aber vielleicht war es der Anfang von dem, was man später das Formentera-Gefühl nannte, diese Mischung aus Freiheit, Sonne und harmlosen Verrücktheiten.

Fortsetzung folgt.....
am 15. Februar
a15.

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Aktualisiert am 1. Februar 2024 | kontakt@niklaus-schmid.de

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