Niklaus Schmid


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Monat Oktober Teil 2

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Formentera
Eine Insel auf dem Weg zur Legende


Auszüge aus "Formentera - Der etwas andere Reiseführer"


Wie war das noch mal mit dem Wikingerprinz Sigurd, den maurischen Piraten und Bob Dylans Schafwollpullover? Diesen Fragen gehe ich in meinem Buch "Formentera - Der etwas andere Reiseführer" nach. Mal berichte ich aus der Vergangenheit, beispielsweise von den Phöniziern, die auf der Insel die ersten Salzbecken bauten, oder von den Arabern, die ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem anlegten. Dann wieder springe ich zurück in die Gegenwart, erwähne neuzeitliche Legenden, schreibe über die Tier- und Pflanzenwelt oder erzähle Geschichten von Künstlern und Charakterkäuzen. Auszüge, wie gesagt, und zwar im monatlichen Wechsel.

Oktober Teil 2

Von Bäuerinnen im Damensitz ...


Zum Radfahren ist es zu windig. Ich schwinge mich aufs Moped. Die gute alte Mobylette, Modell Campera, ist das beste Moped, das ich kenne. Speichenräder, ein anständiger Tank zwischen den Beinen, da kommt keine der modern gestylten Maschinen mit. Stabil genug für zwei Personen ist sie auch, obwohl das Fahren zu zweit verboten ist, schon immer war.

Aber früher krähte kein Hahn danach. Die Bauersleute fuhren zu zweit, Bäuerin mit gerafftem Trachtenrock im Damensitz hinten drauf, entweder auf der langen Sitzbank oder auf einem Kissen, gefüllt mit Schafwolle.

Von all den fünfhundert oder tausend Ausländern auf Formentera fährt nur ein einziger Motorroller, und der ist Mathematikprofessor. Ansonsten setzen sich nur Touristen auf die Roller. Die kleinen Räder sind für die Holperwege und sandigen Pfade denkbar ungünstig. Die Inselärzte Dr. Pedro Pizá und Dr. Luis Martin könnten ein Lied davon singen. Von der roten antiseptischen Tinktur für Schürfwunden verpinseln sie Mengen, als wären sie Anstreicher im Akkord; und nähen können die beiden besser als manch eine der Inselnäherinnen.

... dem Erlebnis Tanken ...


Seit Neuestem müssen auch Mofafahrer einen Schutzhelm tragen. Bis jetzt halten sich nur wenige an die Vorschrift. Doch nach einer Schonfrist werden Polizisten vom Festland eingesetzt, und die kennen kein Pardon. Die Strafen sind höher als in Deutschland: Fahren ohne Helm kostet zweihundert Mark, ohne Gurt dreihundert, falsches Parken kann noch teurer kommen.

Toni hat eine Erklärung dafür: „Die brauchen das Geld, um die Verschönerungen zu bezahlen.“

Ich fahre nach La Savina zur Tankstelle, der einzigen der Insel. Neuerungen auch hier. Für Mofas gibt es jetzt eine Zapfsäule mit Münzeinwurf. Wie langweilig! Kein Gespräch mehr mit dem Tankwart, nur Münzen einwerfen, Zapfpistole in den Tank stecken, fertig. Dagegen war das Tanken früher ein Erlebnis.

… und dem Service mit der roten Laterne


Die alte Besitzerin pumpte den Sprit mit einem Schwengel in einen Behälter, wo das für die Mischung nötige Öl erst hinzukam. Jeder Pumpenschlag ein halber Liter, alle Kunden zählten in Gedanken mit: 14 Schläge, also sieben Liter - oder waren es doch nur dreizehn gewesen? Nein, nein, keine üble Nachrede, sie hat sich wirklich nur äußerst selten verzählt.

Irgendwann wurde diese handbetriebene Mischanlage ausgewechselt, und Vicente, der Sohn der Besitzerin, übernahm das Tankgeschäft, mit großen Plänen. Nur wenige Schritte neben den Zapfsäulen machte er das Restaurant Gasolina auf. Vicente war in Deutschland gewesen und hatte dort die Autobahnraststätten gesehen: Immer voll, wunderbar!

Als Formenteras Autobahnraststätte partout nicht anlaufen wollte, hängte Vicente eine rote Laterne auf. Die Leute schmunzelten, mehr taten sie nicht, und auch dieser Service verpuffte. Ein Tankkunde meinte damals: „Wer will es denn schon im Benzindunst treiben?“

Fortsetzung folgt.
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Aktualisiert am 15. Oktober 2017 | kontakt@niklaus-schmid.de

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