Niklaus Schmid


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Text September Teil 2

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Formentera
Eine Insel auf dem Weg zur Legende


Auszüge aus "Formentera - Der etwas andere Reiseführer"


Wie war das noch mal mit dem Wikingerprinz Sigurd, den maurischen Piraten und Bob Dylans Schafwollpullover? Diesen Fragen gehe ich in meinem Buch "Formentera - Der etwas andere Reiseführer" nach. Mal berichte ich aus der Vergangenheit, beispielsweise von den Phöniziern, die auf der Insel die ersten Salzbecken bauten, oder von den Arabern, die ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem anlegten. Dann wieder springe ich zurück in die Gegenwart, erwähne neuzeitliche Legenden, schreibe über die Tier- und Pflanzenwelt oder erzähle Geschichten von Künstlern und Charakterkäuzen. Auszüge, wie gesagt, und zwar im monatlichen Wechsel.

September Teil 2


Von der hilfreichen Nachtfeuchtigkeit ...

Nicht jede Flasche mit einem Formentera-Etikett enthält echten Inselwein. Um sicherzugehen, muss man bei den Bauern direkt kaufen. Meist geht das nur über Beziehungen. Denn die Einheimischen wissen schon, welche Arbeit in jeder Flasche Wein steckt. Das fängt mit dem Beschneiden der Rebstöcke an.

Zwei, drei Tage lang höre ich im Februar das Knipsen von Marianos Schere, danach das Rattern der Motorhacke. Im April lockert er wieder die Erde auf, jätet das Unkraut. In der trockenen Zeit zieht er Kuhlen um die Rebstöcke, in denen sich die Nachtfeuchtigkeit sammeln kann. Sobald die Trauben reifen, stellt er Scheuchen auf, die gegen diebische Menschen überhaupt nicht und gegen die klugen Vögel nur anfangs helfen.

... Marianos Motorhacke ...

Später wissen die klugen Tiere, dass ihnen von den flatternden Stofffetzen keine Gefahr droht. Letztes Jahr ging Marianos Motorhacke zu Bruch. Den Rest des Feldes musste er mit der Hand bearbeiten.

Ich sah ihn die Arme in die Hüften stemmen, hörte ihn fluchen. Rund dreihundert Mark hat die Reparatur gekostet. Dieses Geld und die Arbeit – würde er all das auf den Wein umrechnen, eine Flasche müsste weit über tausend Peseten kosten. Aber Mariano rechnet ja nicht, er arbeitet.

... und Ernestos "Inselbauer"

Das Gedicht hat Ernesto Ehrenfeld vor vielen Jahren geschrieben -

es hat noch immer seine Gültigkeit:

Er lebt schon ungezählte Jahre
mit Weib und Kind
auf harter Inselerde,
die sich nur schwer beackern lässt.
Ein paar Weinstöcke
auf magerem Feld,
aber sein eigener Wein!
Eidechsen naschen Trauben
diebisch flink, und Vögel auch,
als gehörten sie alle dem Himmel.
Oft seh’ ich ihm zu –
seine geduldige Hoffnung,
aus verbrauchten Rebwurzeln
immer noch – wie ein Wunder –
diesen Rausch zu zaubern,
perlend und rot
in der Sonne leuchtend.
Sein eigener Wein –
als gälte es, sein eigenes Leben
damit zu bestätigen …
Bis er dann selbst erlischt.

Fortsetzung folgt

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aktualisiert am 15. September 2016 | kontakt@niklaus-schmid.de

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