Niklaus Schmid


Direkt zum Seiteninhalt

April Teil 2

Monatstexte<<<<


Formentera
Eine Insel auf dem Weg zur Legende


Auszüge aus "Formentera - Der etwas andere Reiseführer"


Wie war das noch mal mit dem Wikingerprinz Sigurd, den maurischen Piraten und Bob Dylans Schafwollpullover? Diesen Fragen gehe ich in meinem Buch "Formentera - Der etwas andere Reiseführer" nach. Mal berichte ich aus der Vergangenheit, beispielsweise von den Phöniziern, die auf der Insel die ersten Salzbecken bauten, oder von den Arabern, die ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem anlegten. Dann wieder springe ich zurück in die Gegenwart, erwähne neuzeitliche Legenden, schreibe über die Tier- und Pflanzenwelt oder erzähle Geschichten von Künstlern und Charakterkäuzen. Auszüge, wie gesagt, und zwar im monatlichen Wechsel.

April Teil 2


Es war ein Tag wie jeder andere ...

Da sitzen sie mit gekreuzten Beinen auf steinigem Boden, den Blick aufs Meer, blau, bin hin zum dunstgrauen Schattenriss der Insel Vedrà. Im Rücken ein Ungeheuer aus Beton und eisernen Gräten, Fortschritt genannt. In rissigen Händen ein Fischernetz, engmaschige Tradition.

A: Sie haben uns die Luft genommen.
B: Sie haben Maschinen gebracht.
A: Sie haben uns die Stille genommen.
B: Sie haben Arbeit gebracht. Du weißt, noch vor Jahren –
A: Ich weiß, Arbeit. Arbeit sogar für die Handwerker aus Andalusien und
....für Geschäftsleute aus dem Norden. Sie haben unser Land genommen.
B: Gekauft.
A: Gut, gekauft. Und Mauern außenrum gezogen. Zuviel Neues, zuviel
....Technik. Das bedrückt mich.
B: Ich sah dich lachen, gestern, nach gutem Fang, im Fernsehen kämpften
....drei Engel.für Charlie. Auch das ist neu, ist Technik.
A: Ja, ich hab gelacht, war trotzdem traurig. Sie haben uns, versteh, das
....Wesentliche.genommen und unwesentliche Dinge gebracht. Warum
....können wir es nicht wie sie machen, das, was sie wollen, in Kisten
....packen und ihnen zuschicken?


B: Die Sonne? Die Pinien? Den Duft von Thymian und Rosmarin? Das
....Blau des Meeres? Das Licht über den Salinen? Die Trachten der
....alten Frauen?
....(Wird unterbrochen. Eine Urlauberin im Bikini erhebt sich aus der
....nachempfundenen Hocke der Fotoprofis, sagt halblaut und zögernd
....„gracias“ und dann zu ihrem.Begleiter: „Die merken nichts, die kümmert
....nichts, das sind noch echte Fischer.“)
A: Sag, wer rief sie denn, die Vielzuvielen?
B: Wir.
A: Wir? Und warum?
B. Sie sollten uns unabhängig machen vom unsicheren Fischfang, von
....mageren Ernten, vom Dienst auf fremden Schiffen.
A: Nun sind wir abhängig von ihnen.
B: Und von unserer Bequemlichkeit.

A: Jetzt haben wir andere Ängste. Letzte Nacht, am Rand der Mola,
....unterm vielspeichigen Lichtrad des Leuchtturms, sah ich eine Seemöwe
....auf Nahrungssuche. Sie tauchte ins Meer, doch das Wasser, wie
....flüssiges Blei, hielt sie gefangen. Verstehst du das?
B: Ein Traum, ein böser Traum, sonst nichts.
A: Sie haben unsere Träume verändert. Sie werden, wenn's weiter so
....geht, unser Denken verändern.
B: Ja, ja, wie's vor ihnen die Besucher taten: die Phönizier, die Römer und
....die Vandalen, die Mauren, die Normannen und die Männer aus Aragón.
....Wie schon seit dreitausend Jahren.
A: Die sind wieder gegangen.
B: Oder wie wir geworden. Es
ist igual. Die Gleichgültigkeit hilft uns,
....Toleranz ist die einzig große Kraft einer kleinen Insel.
A: Du sagst:
Igual igual. Alles ist gleich? Nichts ändert sich?
B: Doch ständig: Juan hat seine Strandbar verkauft, Juan geht
....wieder fischen.

Fortsetzung folgt.....
im Mai
.... a15.

..AAi...a.Aa


Aktualisiert am 15. April 2024 | kontakt@niklaus-schmid.de

Zurück zum Seiteninhalt | Zurück zum Hauptmenü