Niklaus Schmid


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Band 2, Story 1
Railway to Hell


Meine Familie, ständig hat sie an mir was auszusetzen. Luigi, deine Weibergeschichten, du bist ein Träumer. Luigi, warum trinkst du so viel? Jetzt ist dein Führerschein weg. Was wirst du machen? Wie willst du ohne patente deinem Beruf nachgehen?
Na, mit öffentlichen Verkehrsmitteln, sage ich, wie Hunderttausende andere auch.
Luigi, fehlt nur noch, dass du dir eine blonde Frau nimmst, sagen sie.
Ja, warum eigentlich nicht, denke ich, während ich wieder in diesem bescheuerten Zug, der Hellweg-Bahn, sitze und mir durch das Fenster die Landschaft anschaue. Flaches Land, Nieselregen fällt auf Äcker und Weiden und lässt die Industriebrachen noch trostloser aussehen, Windräder in der Ferne.


Dieser Regen, maledetto ! Ich vermisse die Sonne, das Grün der Orangen- und Olivenbäume, den Duft der blühenden Macchia. San Luca ist weit.
Stattdessen Dortmund. Jetzt schon den dritten Tag. Grauer Himmel, graue Häuser, graue Gesichter. Eine Frau mit Einkaufswägelchen, eine andere, die mit einem Hund spricht, ein Mann in bunter Radlerkleidung, Schulkinder, Arbeiter.
Der Kerl mit dem Schnauzbart da drüben, der saß gestern schon auf demselben Platz, hält eine Aktentasche auf dem Schoß, wahrscheinlich stecken eine Thermosflasche und eine Butterbrotdose darin. Bestimmt ist er auf dem Weg zu irgendeiner schlecht bezahlten Arbeit, hat einen Stall voller Kinder zu Hause und eine Frau, die auf eine neue Küche spart. Was für ein armseliges Spießerleben!
Ausstieg in Fahrtrichtung links, schnarrt es aus dem Lautsprecher. Was soll das? Sind die Fahrgäste etwa blind?
...


Band 2, Story 2
Der Augenzeuge


"Tauben!", schnauzte der Kommissar. "Sie waren dabei, als einem Mann das Gesicht weggeschossen wurde, und erzählen mir hier was von Taubenzucht."
"Ja, aber ..."
"Was aber?"
Dass die Polizei einen nie ausreden lässt, ärgerte sich Augenzeuge Jürgen Kallmeyer, sagte dann aber nur: "Das hängt doch alles damit zusammen, mit der Taubenzucht und ..."

*

Vor allem hing es damit zusammen, dass Laflöhr an dem Tag nach dem Wettflug verspätet zum Vereinstreffen kam, uns eine tote Taube unter die Nase hielt und fragte, ob wir wüssten, was das sei.


Blöde Frage, und ganz besonders blöd, sie in einem Verein zu stellen, der sich mit nichts anderem als Brieftauben beschäftigt, allerdings lebendigen.
Horst Bodach, unser Kassenwart, legte seinen Bleistift zur Seite, runzelte die Stirn und sagte: "Hmm, für'n Känguru ist's zu klein. Was meint ihr, Leute."
"Zu klein", ging ich auf Bodachs Spiel ein. "Außerdem hat es Federn. Ein Vogel, ich tippe, es ist ein Vogel."
"Sieht ein bisschen müde aus", gab Schwadden seinen Senf noch dazu.
"So, das reicht!", blaffte Laflöhr. "Jetzt will ich euch mal was sagen: Das ist, genauer gesagt, das war mein bester Vogel. Und der ist nicht an Altersschwäche gestorben, oh nein, der ist gestern abgeschossen worden, und zwar ganz nahe vorm Ziel; der hätte das Rennen gewonnen. Das ist", er holte tief Luft, "das ist Taubenmord!"
Wenn man ein Tier verliert
...


Band 2, Story 3
Kalt, stumm und friedlich


Gemächlich lenkte Götz Schirmer das Reisemobil durch die Landschaft der Rocky Mountains. Er blickte mal nach rechts, mal nach links, wo hinter den Scheiben ein schier unendlicher
Naturfilm ablief: Wälder, durchschnitten vom silberigen Band eines Flusses, hin und wieder ein kreisender Raubvogel über schroffen Felsen.
Zum ersten Mal seit zwei Wochen konnte Schirmer den Urlaub genießen. Niemand befahl ihm, schneller zu fahren, niemand verlangte, dass er anhielt und Kaffee kochte, niemand lag ihm mit den Verkaufszahlen des vergangenen Jahres und mit der Vorgabe für das laufende Jahr in den Ohren.

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Doch noch mehr als all das waren Schirmer die ständigen sexuellen Anspielungen auf die Nerven gegangen. "Erinnert Sie das nicht an ein knabenhaftes Hinterteil?", hatte er sich zum Beispiel anhören müssen, wenn sie durch ein Tal fuhren, das von zwei sanften Hügelkuppen flankiert wurde.
Mit solchen Sticheleien war es jetzt vorbei. Bis auf das Summen der Räder auf dem Asphalt war es herrlich still in dem Wagen - denn Möllenhof, Schirmers Reisegefährte und Abteilungsleiter, lag in dem Etagenbett des Aufbaus und war der leiseste und friedlichste Chef, den man sich nur wünschen konnte.
Möllenhof war tot.
Schirmer pfiff sich eins. Ja, der ewig schwitzende, ewig laute, dicke Hermann Möllenhof war nun so kalt und stumm wie die Lachse, die sie noch gemeinsam aus dem Fluss gezogen hatten. Dort unten am Fluss war es auch passiert
...
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Aktualisiert am 15. April 2024 | kontakt@niklaus-schmid.de

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