Niklaus Schmid


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Formentera

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... geht es um ein Buch, das bereits 2007 auf der Frankfurter Buchmesse im Rahmen der Katalanischen Kultur vorgestellt wurde. Einheimische und ausländische Autoren - Journalisten, Wissenschaftler, Schriftsteller und Künstler - zeichnen ein facettenreiches Gesamtbild von Ibiza und Formentera als einem Paradies im Wandel zwischen Tradition und Moderne.
Goodbye Tanit? Ibiza - Zwischen Traum und Trauma ist im Palmyra-Verlag erschienen; die gebundene Ausgabe hat 430 Seiten und kostet 26 Euro; das Buch hat neunundzwanzig Kapitel - meinen Beitrag

Brief von nebenan: Formentera - ganz groß in Kleinigkeiten


habe ich in 17 Folgen eingeteilt, Teil 1 bis 13 finden Sie hier, den Rest in Archiv 2.


Damals Teil 4 Leslie
> Damals Teil 1 "Goldfinger" und Teil 2 "James con hielo" finden Sie hier

Es war einmal auf einer kleinen Insel im westlichen Mittelmeer ...


Und immer wieder kamen sie, bezaubert von dem einzigartigen Licht, inspiriert durch die urwüchsige Landschaft, verwöhnt durch ein kristallklares Meer, angezogen durch moderate Preise für Wein und Wohnungen: Maler, Schriftsteller und Lebenskünstler, Schelme, Träumer und schlichte Sonnenhungrige. Manche kamen für einen Urlaub - und blieben dann für Jahre.
Einer von ihnen war
Leslie Bailly, der sich auf den Weg nach Formentera machte. Das war im Juli 1974. Ein Blick zurück ...

Mit drei Mark zehn auf dem Weg nach Süden

Es war die Zeit, als sich Urlauber in der Flughafentoilette von Ibiza umzogen. Als Zahnärzte in schmuddelige Overalls schlüpften und Sparkassenangestellte sich die Afghanenweste überwarfen. Auf der Fonda-Mauer hockten Millionärsgattinnen in Fischerlatschen, Fabrikanten lasen Carlos Castaneda. Jeder ein Aussteiger - für zwei oder drei Wochen. Alle wollten ein bisschen flippig, keiner normal sein.

Wie anstrengend, wie unsinnig! Kein Gesetz schreibt vor, dass ein Formentera-Typ verrückt sein muss, nicht mal halbverrückt. Verrückt sei es vielmehr, sagte sich
Leslie Bailly, dauernd für Klamotten zu schuften, die man an und für sich nicht braucht. Zu dieser Erkenntnis kam er an einem Julitag im Jahre 1974. Wenig später stand er an der Autobahnausfahrt Düsseldorf-Süd, mit drei Mark zehn und einer Mundharmonika in der Tasche seiner kurzen Lederhose, die er angezogen hatte, weil sie zum Reisen "irre praktisch ist." Sein Ziel war Formentera.

Er schlug sich durch, schlief unter freiem Himmel, wehrte schwule Lastwagenfahrer ab, die in seiner Lederhose nicht das strapazierfähige Kleidungsstück, sondern ein Reizmittel sahen. Nach sechs Wochen erreichte er Formentera. Als Erstes heftete er an die Säule der Fonda Pepe einen Zettel: Erledige Arbeiten jeder Art. Ein Witzbold schrieb darunter: Viel Spaß! Les schlief am Strand und bei Freunden, die ihm eine Packung filterlose Ducados, ein Bier oder ein belegtes Brötchen spendierten. So ging das Jahre.


Als ich mich mit Les zum ersten Mal unterhielt, war er bereits fein raus. "Das hier ist mein Apartment Mercedes." Er machte eine übertriebene Geste. "Tagesraum, Schlafzimmer, Arbeitsraum, alles mit Rundumsicht."

Das Gespräch fand vor einem Daimler-Benz 250 S statt, der seit Jahren unter Zollverschluß stand und seit Monaten Leslies Zuhause war. Aus dem Kofferraum holte er eine vorsintflutliche Schreibmaschine hervor, ein Erbstück von Mario Prins, puhlte die Piniennadeln, die durch ein Loch in der Kofferraumabdeckung rieselten, aus dem Typenkorb und begann zu tippen. "Da war noch die Sache mit …"

So fing Les alle seine Kurzgeschichten an, die er abends im Schein einer Petroleumlampe auf zwei übereinander gestapelten Bierkisten schrieb. Tagsüber kochte der gelernte Elektriker in einem Strandrestaurant für heimwehkranke Urlauber Erbsensuppen. Völlig normal, wie gesagt.
Oder doch nicht ganz. Denn da war ja noch Leslies Tagebuch - Auschnitte davon gibt es hier.

Damals Teil 3


Schon in den fünfziger Jahren kam das Künsterpaar
Sioma Baram und Bella Brisel. Beide starben Anfang der achtziger Jahre. Ein Blick zurück ...




Er war der erste Ausländer, der sich auf Formentera niederließ. Seine Ankunft ist schon fast Legende. Als Sioma Baram Anfang der fünfziger Jahre mit seiner Frau, der Malerin Bella Brisel, zum ersten Mal nach Formentera kam, konnte er nicht bleiben. Auf der Insel gab es nur so viele Betten wie Menschen.

Dennoch wurde Formentera seine richtige Heimat - und auch seine letzte. Zweieinhalb Jahrzehnte hat er hier gelebt und gemalt. Im Garten seiner Finca pflanzte er über tausend Bäume. Sein Wunsch war, unter ebendiesen Bäumen - für ihn der sichtbare Ausdruck seiner Verwurzelung mit der geliebten Insel - beerdigt zu werden.

Baram, 1919 in Bessarabien geboren, begann in Kischinew mit dem Kunststudium, das er später in Tel Aviv und an der "École du Louvre" in Paris fortsetzte. Zu den Ausstellungsorten zählten unter anderen Lausanne, London, Tokio, New York und vor allem Tel Aviv.


Baram war fasziniert von Bäumen, die er in seinen Ölbildern, vor allem aber in seinen Radierungen verewigte, die er Blatt für Blatt selbst druckte.

Und von den Trockenmauern der Insel. "Solange es diese Mauern gibt", sagte er, "wird die Insel trotz aller Veränderungen ihren Charme behalten."

Beerdigt wurde er nicht seinem Willen gemäß unter den Bäumen, die er selbst gepflanzt hatte, sondern auf dem Ölberg bei Jerusalem. Die Finca, in der Formenteras erstes Künstlerpaar viele Jahre gearbeitet hat, steht seither leer. Und die Trockenmauern, die das Grundstück umranden, sind zum Teil eingestürzt.



Gestorben:
Der erste Formentera-Ausländer


Sioma Baram ist tot. Er starb an den Folgen eines Schlaganfalls, den er auf der Terrasse der Fonda Pepe erlitten hatte.

Baram hat bis zuletzt unermüdlich gearbeitet, oft an mehreren Originalen und Grafiken gleichzeitig. Seine Bilder sind uns geblieben. Den vielseitigen, stets hilfsbereiten Künstler, den geistreichen Gesprächspartner haben wir verloren. Seine Freunde werden Baram lange, lange Zeit vermissen und nie vergessen.

(aus: der Insel-Zeitung "IZ", August 1980)


... seine Frau Bella Brisel, hier eines ihrer Lieblingsmotive, starb ein Jahr später


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Aktualisiert am 1. Dezember | kontakt@niklaus-schmid.de

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