Niklaus Schmid


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Juni Teil 2

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Formentera
Eine Insel auf dem Weg zur Legende


Auszüge aus "Formentera - Der etwas andere Reiseführer"


Wie war das noch mal mit dem Wikingerprinz Sigurd, den maurischen Piraten und Bob Dylans Schafwollpullover? Diesen Fragen gehe ich in meinem Buch "Formentera - Der etwas andere Reiseführer" nach. Mal berichte ich aus der Vergangenheit, beispielsweise von den Phöniziern, die auf der Insel die ersten Salzbecken bauten, oder von den Arabern, die ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem anlegten. Dann wieder springe ich zurück in die Gegenwart, erwähne neuzeitliche Legenden, schreibe über die Tier- und Pflanzenwelt oder erzähle Geschichten von Künstlern und Charakterkäuzen. Auszüge, wie gesagt, und zwar im monatlichen Wechsel.

Juni Teil 2

Von der Leidenschaft der Formentera-Frau ...


„Die Mauern werden innen und außen weiß gekalkt, wofür die Formentera-Frau eine angeborene Leidenschaft hat.“ So steht es in dem ältlichen Führer für den Reisenden von Joan Castelló Guasch. Möglicher-
weise ist die Passage in dem Büchlein etwas unglücklich übersetzt. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass das Streichen der Häuser auf Formentera seit jeher von den Frauen besorgt wird.

Ob nun aus Leidenschaft oder nicht, sie tun es. Maria gibt den gebrannten, mehlig feinen Kalk in eine Schüssel, schüttet etwas Wasser hinzu und rührt eine cremige Paste an. Dann gießt sie das restliche Wasser, etwa anderthalb mal soviel wie Kalk, in die Schüssel.

… Wänden, die Gesichter haben …

Eine halbe Stunde lässt sie die milchige Flüssigkeit ruhen, die sie anschließend kräftig durchschlägt. In der Zwischenzeit hat sie die losen Kalkschichten entfernt und die Wand angefeuchtet. Nun kann es losgehen.

„Nur im Schatten und immer den Pinsel waagerecht führen!“, sagt Maria. Sie streicht die Mauer bis in Kopfhöhe, dann bindet sie den Pinsel an eine Stange. Zunächst sieht man keine Veränderung, doch nach ein paar Stunden kriegt die Wand einen wunderbar seidigen Mattglanz. Die vielen Farbschichten, zum Teil abgeblättert und wieder übertüncht, verleihen den Wänden Gesichter, wie alte Bäume sie haben.

… und Wolken voller Saharastaub


Jedes Jahr ist ein neuer Anstrich fällig, ausgenommen man nimmt die neuartige Plastikfarbe. Maria hat davon gehört, schüttelt aber energisch den Kopf. „Plastikfarbe atmet nicht“, sagt sie. Es bilde sich Schimmel, und außerdem habe das Streichen etwas mit Sauberkeit zu tun. Mit Brauchtum auch, denn ein Haus, in dem jemand gestorben ist, wird grundsätzlich frisch geweißelt, egal wie viel Zeit seit dem letzten Anstrich vergangen ist.

Ich müsste auch mal wieder zum Pinsel greifen. Noch zögere ich. Meine Frau meint, ich hätte Angst, mich mit der typischen Frauenarbeit vor den Nachbarn zu blamieren. Unsinn! Ich zeige zum Himmel. „Siehst du die rötlichen Wolken? Voller Saharastaub! Der kommt beim nächsten Regen runter, und alle Arbeit wäre umsonst.“
Gut, dass mir diese Ausrede noch eingefallen ist.

Fortsetzung folgt...
am 1. Juli...
amaa...a.a....


Aktualisiert am 15. Juni 2020 | kontakt@niklaus-schmid.de

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