Niklaus Schmid


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Dezember Teil 2

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Formentera
Eine Insel auf dem Weg zur Legende


Auszüge aus "Formentera - Der etwas andere Reiseführer"


Wie war das noch mal mit dem Wikingerprinz Sigurd, den maurischen Piraten und Bob Dylans Schafwollpullover? Diesen Fragen gehe ich in meinem Buch "Formentera - Der etwas andere Reiseführer" nach. Mal berichte ich aus der Vergangenheit, beispielsweise von den Phöniziern, die auf der Insel die ersten Salzbecken bauten, oder von den Arabern, die ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem anlegten. Dann wieder springe ich zurück in die Gegenwart, erwähne neuzeitliche Legenden, schreibe über die Tier- und Pflanzenwelt oder erzähle Geschichten von Künstlern und Charakterkäuzen. Auszüge, wie gesagt, und zwar im monatlichen Wechsel.

Dezember Teil 2

Vom Schnee aus der Sprühdose ...

Heiligabend ist ohne Bedeutung auf Formentera, ein Tag wie jeder andere. Weihnachten ist sehr wohl Festtag, aber das Festliche beschränkt sich auf gutes Essen, einen Schluck Wein mehr als sonst und auf eine gelinde Ausgelassenheit. Mit deutscher Weihnacht und geschmücktem Tannenbaum hat das nichts zu tun. Wie könnte es auch? Meist scheint die Sonne, Schnee glitzert nur auf den Schaufensterscheiben der Geschäfte und kommt aus der Sprühdose.

Selbst das ist neu, hängt mit dem Einfluss der Fremden, mit dem Zusammenwachsen Europas und mit der Fernsehwerbung zusammen. Früher bekamen die Kinder ausschließlich zum Dreikönigstag Geschenke. „Auch das war nicht viel“, erinnert sich Toni. „Getrocknete Feigen, Orangen, eine aufgeblasene Schweineblase, mit der wir Fußball spielten.“

... den kleinen Quälgeistern …


Heute quengeln die Kinder, angeregt durch die Fernsehbilder, auch schon in der Vorweihnachtszeit. Meist beruhigen die Eltern die kleinen Quälgeister mit Kleinigkeiten, denn die großen Geschenke gibt es nach wie vor erst am 6. Januar.

Silvester. Die Fonda Pepe ist gerammelt voll. Kein Durchkommen mehr zur Theke. Sektflaschen und Gläser wandern durch viele Hände, bis sie den Besteller erreichen. Noch fünf Minuten. Julián verteilt die Geschenke des Hauses; für die Frauen kleine Cellophanbeutel mit den Uvas de suerte, zwölf Glückstrauben, für jeden Monat eine. Die Männer bekommen gerösteten Speck. Der ist borstig und leicht ranzig wie immer, muss er wohl sein, sonst bringt er nicht die Kraft, die man sich von ihm nach altem Glauben verspricht.

… und vielen Küsschen zum neuen Jahr

Noch eine Minute. Pepe erscheint. Er nimmt einen Hammer und genau zwölf Sekunden vor null Uhr, nicht eine Sekunde zu früh, nicht eine zu spät, beginnt er gegen den kupfernen Gong zu schlagen, der über der Theke hängt. Als der letzte Gong ertönt, rückt der große Zeiger zu dem kleinen Zeiger. Und dann geht das Licht aus.

Das neue Jahr hat begonnen.

Alle juchzen. Sektkorken knallen. Umarmungen. Rufe: Molts anys i bons! Noch viele Jahre und alles Gute! Zunächst werden alle geküsst, die in unmittelbarer Nähe stehen. Danach, wenn ein Teil der Bekannten auf die Straße rennt, um Feuerwerkskörper abzubrennen, kommen die weiter entfernt stehenden Gäste dran. Aber grundsätzlich küsst jeder jeden. Aufgepasst, Fremder, der du noch nicht vertraut bist mit den Bräuchen der Eingeborenen! Auch Leute, die dich über Monate nur mit giftigen Blicken bedacht haben, schmatzen dir jetzt, gnadenlos, Küsse auf Wange
und Mund.

Glockenläuten. Gläserklirren. Und Küsschen, Küsschen. Alles ist schön und in Ordnung, für einen langen Moment. Ab Neujahrsmorgen sehen wir das Leben und die Mitmenschen dann wieder kritischer.

Fortsetzung folgt.....
am 1. Januar
a15.

..AAi...a.Aa


Aktualisiert am 24. Dezember 2022 | kontakt@niklaus-schmid.de

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