Niklaus Schmid


Direkt zum Seiteninhalt

Januar Teil 2

Monatstexte<<<<


Formentera
Eine Insel auf dem Weg zur Legende


Auszüge aus "Formentera - Der etwas andere Reiseführer"


Wie war das noch mal mit dem Wikingerprinz Sigurd, den maurischen Piraten und Bob Dylans Schafwollpullover? Diesen Fragen gehe ich in meinem Buch "Formentera - Der etwas andere Reiseführer" nach. Mal berichte ich aus der Vergangenheit, beispielsweise von den Phöniziern, die auf der Insel die ersten Salzbecken bauten, oder von den Arabern, die ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem anlegten. Dann wieder springe ich zurück in die Gegenwart, erwähne neuzeitliche Legenden, schreibe über die Tier- und Pflanzenwelt oder erzähle Geschichten von Künstlern und Charakterkäuzen. Auszüge, wie gesagt, und zwar im monatlichen Wechsel.

Januar Teil 2

Von Büchern und Bildern ...


Fast jeder malte oder schrieb. Was soll man sonst tun? Im Sommer – da ist das Strandleben, da sind die Besucher – da gibt es genügend Abwechslung. Aber der Winter! Kein Fremder da, bei dem man so ganz nebenbei die Inselerfahrungen raushängen lassen kann. Man kennt das doch: Eine Gruppe von Besuchern, die alles so toll finden, was mit der Insel zusammenhängt, und dann wirft einer den Satz ein: „Mein Nachbar hat die Weinstöcke in diesem Jahr schon im Januar geschnitten.“
Große Augen, du lebst hier?
O ja, das tut dem Überwinterer so gut wie die ersten Strahlen der Frühlingssonne.

Also schreiben oder malen oder Holz sammeln. Irgendwie muss man sich handfest im Winter beschäftigen, wer es nicht tut, ist rettungslos verloren. Für die modische Aufgabe, sich selbst zu finden, ist Formentera ein denkbar ungünstiger Ort. Wer mit dieser Absicht kommt, wird sich selbst allenfalls auf dem Grund eines Kognakglases wiederfinden.

… Pepes Balken ...


Also rein in den Wald? Gemach, gemach! Es gibt auf der Insel ja nicht einen Quadratmeter Wald, der nicht irgendeinem Bauern gehört. Auch wenn der die Kiefern, die der Sturm umgeworfen hat, nicht selbst zu Brennholz macht, sondern vermodern lässt, fragen muss man. Sonst kann es einem wie dem Ausländer gehen, der Freunde zu sich nach Hause einlud.

Es war ein regnerischer Wintertag, kalt und ungemütlich. Doch der Gastgeber heizte, bevor die Gäste kamen, seinen Kamin tüchtig an, und zwar mit einem dicken Balken, der die ganze Nacht für wohlige Wärme sorgen sollte. Der erste Gast kam, und wie üblich stellte er sich nach der Begrüßung erst einmal vor den offenen Kamin, um sich dort mit der Bemerkung, es gehe doch nichts über ein Kaminfeuer, die klammen Hände zu reiben. Dann zeigte er auf das knisternde Holz und sagte: „Pepes Balken.“
„Wie bitte?“
„Das ist Pepes Balken.“

… der Dreschmaschine und dem Ziegengatter


Den habe er auf dem freien Feld gefunden, sagte der Gastgeber. Ja, ja, meinte der Gast, aber es sei eben Pepes Balken. Woher er das wisse, erkundigte sich der Gastgeber. Aber da kamen schon wieder Gäste, die sich ebenfalls vors Feuer stellten, die Hände aneinander rieben und irgendwann sagten: „Ach, guck mal, Pepes Balken!“

Es stellte sich heraus, dass anscheinend jeder auf der Insel den verflixten Balken kannte. Der eine erkannte ihn an der Form, der andere an der blauen Farbe, mit der ein Ende mal vor Urzeiten angestrichen worden war.
„Pepes Balken, na und, was soll’s? Ich lege ihm einen Balken aufs Feld, und damit hat es sich dann“, sagte der Gastgeber.

Tage später sprach ihn ein alter Mann an: „Hola, ich bin Pepe. Es geht um den Balken. Den brauche ich jedes Jahr im Sommer, wenn die Dresch-
maschine kommt, um damit das Ziegengatter aufzuhalten.“
„Tut mir leid, das wusste ich nicht. Ich hatte den Balken weggenommen, aber inzwischen habe ich an dieselbe Stelle einen prima Balken hingelegt, und damit müsste die Sache auch wieder in Ordnung sein.“
„Nicht ganz.“ Der alte Pepe schüttelte den Kopf. „Nicht ganz. Mein Balken war etwas blau am Ende.“

Fortsetzung folgt...
am 1. Februar...
amaa...a.a....


Aktualisiert am 15. Januar 2021 | kontakt@niklaus-schmid.de

Zurück zum Seiteninhalt | Zurück zum Hauptmenü