Niklaus Schmid


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September Teil 2

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Formentera
Eine Insel auf dem Weg zur Legende


Auszüge aus "Formentera - Der etwas andere Reiseführer"


Wie war das noch mal mit dem Wikingerprinz Sigurd, den maurischen Piraten und Bob Dylans Schafwollpullover? Diesen Fragen gehe ich in meinem Buch "Formentera - Der etwas andere Reiseführer" nach. Mal berichte ich aus der Vergangenheit, beispielsweise von den Phöniziern, die auf der Insel die ersten Salzbecken bauten, oder von den Arabern, die ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem anlegten. Dann wieder springe ich zurück in die Gegenwart, erwähne neuzeitliche Legenden, schreibe über die Tier- und Pflanzenwelt oder erzähle Geschichten von Künstlern und Charakterkäuzen. Auszüge, wie gesagt, und zwar im monatlichen Wechsel.

September Teil 2

Von der harten Arbeit im Weinfeld ...

Schon in aller Frühe hat mein Nachbar Mariano mit der Weinernte begonnen. Am Feldrand steht sein kleiner knallroter Trecker, der Anhänger ist mit Holzkisten beladen. Von Mariano sehe ich seit Stunden nur den Rücken zwischen den Rebstöcken. Pünktlich um zehn macht er Pause. Ein Schluck Wasser, ein belegtes Brot, danach arbeitet er weiter. Gegen Abend hat er das halbe Feld abgeerntet.

Die gefüllten Kisten versteckt er in der Mitte des Feldes. Früher sei das nicht nötig gewesen, sagt er. Dann klagt er noch ein bisschen über die Pinien. Er hat allen Grund dazu. Die Rebstöcke nahe dem Wald sind mickrig, zum Teil verdorrt. Die bis zu dreißig Meter langen Pinienwurzeln saugen dem Weinfeld die Kraft aus.

... den gierigen Pinienwurzeln ...

Deshalb wird Mariano am Feldrand einen tiefen Graben ziehen und die Pinienwurzeln durchtrennen. Kein Zweifel, die Bauern mögen die Pinien nicht. Aber sie wissen auch, dass sie die Bäume brauchen. Würden sie alle fällen, verlören die Dünen ihren Halt, und der Sand überwehte die Insel.

Am Abend des zweiten Tages hat Mariano das gesamte Feld abgeerntet und tuckert mit seinem Gespann los, hochbeladen mit blauen Trauben. In den nächsten Tagen sind er und seine Söhne damit beschäftigt, die Trauben durch eine Presse zu drehen, die ähnlich wie ein alter Wäschewringer aussieht.

... und dem guten Brunnenwasser

Einige Bauern keltern auch noch auf althergebrachte Art, indem sie die Trauben mit bloßen Füßen austreten. Den Saft schütten sie durch ein Holzgitter, das die Schalen und Stängel zurückhält, in einen gemauerten Behälter. Dort bleibt der Most eine Woche; danach kommt er in Holzfässer, die mit Zement versiegelt werden. Kein Gramm Chemie, kein Gramm Zucker, Öchsle hin, Öchsle her – dies ist purer Landwein.

Der Alkohol entwickelt sich im Fass. Am Anfang ist der Wein dunkel, eben
tinto, danach kriegt er eine helle Färbung, wird nahezu rosé. Bis zu einem Jahr kann der Wein lagern, dann muss das Fass gereinigt werden. „Mit Brunnenwasser, sonst nichts“, betont Mariano.

Ab November ist Probetrinken. Der vi pagès schmeckt fruchtig, herb und ziemlich harzig. Er ist mit keinem anderen Wein zu vergleichen, aber nicht jedermanns Sache. Ich kenne einige Leute, die kriegen schon beim Nippen ganz schmale Lippen. Und ich habe viele Bekannte in Deutschland, denen ich keine größere Freude machen kann als mit einer Flasche echten Formentera-Wein.

Fortsetzung folgt.....
am 1. Oktober
a15.

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Aktualisiert am 15. September 2022 | kontakt@niklaus-schmid.de

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